Lymphödem Newsletter: Das Lymphödem - Unsexy. Unbekannt. Unbehandelt.

Newsletter Februar 2019
Das Lymphödem – Unsexy. Unbekannt. Unbehandelt.

Zu den Newsletters

In der Schweiz leben unserer Schätzung zufolge etwa 50'000 bis 100'000 Menschen mit einem Lymphödem – und doch ist diese Erkrankung weitgehend unbekannt. Viele Betroffene berichten von regelrechten Odysseen – selbst nach Lymphknotenentfernungen bei Krebs – bis sie eine richtige Diagnose und adäquate Behandlungen erhalten.

Was sind die Gründe für den niederen Status dieser Krankheit und die Erschwernisse für Patientinnen und Patienten? Warum wird das Lymphödem in der Medizin trotz der hohen Zahl an Betroffenen als „seltene Erkrankung“ und damit als vernachlässigbar eingeordnet?

Kein Prestige = kein Geld!
Mit den grossen Wissenschaften wie z.B. der Krebs- oder Alzheimerforschung, bei welchen in der Hoffnung auf bahnbrechende Erkenntnisse (und damit auf finanzielle Gewinne) hohe Summen an Forschungsgeldern fliessen, ist die Lymphologie nicht vergleichbar. Auch gibt es keine Prominenten, welche an einem Lymphödem leiden und es wird bestimmt nie eine erfolgreiche TV-Serie zum Thema geben. So erstaunt es nicht, dass die Lymphologie unter der Ärzteschaft nur wenig bekannt ist und bereits im Medizinstudium nur am Rande behandelt wird. Auch werden für Lymphödem-Studien kaum Investoren gefunden.

Keine Studien = Keine Daten!
Weil das Lymphödem als Krankheit in unserem Gesundheitswesen nicht meldepflichtig ist und – wie bereits geschildert – als uninteressant gilt, wurden bisher nur wenige Studien durchgeführt. Zuverlässige Daten über die Häufigkeit des Lymphödems fehlen, und in Statistiken taucht es gar nicht erst auf. Und Krankheiten, die als „selten“ gelten, sind nicht „auf dem Radar“ der Ärzteschaft und werden deshalb weniger diagnostiziert.

Keine Diagnose = keine Behandlung!
Oft ist das Lymphödem keine Einzelkrankheit, sondern geht einher mit Krebs, Adipositas, Sportverletzungen u.a.m. Der Fokus liegt auf dem Bekannten - das Lymphödem aber geht vergessen, es wird nicht mitdiagnostiziert. Demnach wird auch keine Therapie eingeleitet, worauf sich das Lymphödem über Monate oder gar Jahre verschlimmern kann. Dies ist bedauerlich, denn eine Therapie im frühen Stadium ist erfolgsversprechender, einfacher, erträglicher, kostengünstiger und somit effizienter.

Zahlen zum Lymphödem

Es gibt zwei Möglichkeiten, um zu bestimmen, wie viele Menschen an einer bestimmten Erkrankung leiden:

  • die Inzidenz = Anzahl Neuerkrankungen innerhalb einer Zeitspanne (1 Jahr)
  • die Prävalenz = Anzahl aller Betroffenen zu einem bestimmten Zeitpunkt

Je mehr Menschen jährlich neu erkranken und/oder je länger eine Krankheit in der Regel beim Einzelnen andauert, desto höher wird diese Prävalenz-Zahl.

Wir haben einige Studien verglichen und präsentieren Ihnen daraus die folgenden Zahlen, hochgerechnet auf 8 Millionen Einwohner der Schweiz. Generell müssen wir festhalten, dass die Datenlage (auch infolge der geringen Zahl an Studien) teilweise sehr unterschiedlich ist. Lediglich die Tatsache, dass Frauen rund 5x häufiger von einem Lymphödem betroffen sind als Männer ist in allen Studien immer etwa gleich.

Das sekundäre Lymphödem

  • Prävalenz 0,2 % - 2,0 %
    Bei 8 Mio. Einwohnern in der Schweiz wären dies 16‘000 bis 160‘000 Betroffene. (Durchschnitt 1% = insgesamt 80‘000 Lymphödem-Betroffene).
  • Inzidenz Arm-Lymphödem
    Anzahl Neuerkrankungen Brustkrebs: 6000/Jahr*
    Jede 5. Patientin entwickelt ein Lymphödem = 1'200 Neuerkrankungen pro Jahr nach Brustkrebs.
  • Inzidenz Bein-Lymphödem
    Anzahl Neuerkrankungen Gebärmutter- und Eierstockkrebs: 1‘760/Jahr*
    Jede 5. Patientin entwickelt ein Lymphödem = 352 Neuerkrankungen pro Jahr nach Unterleibskrebs.

Total sind dies ca. 1'500 Neuerkrankungen pro Jahr alleine aufgrund von Brust- und Unterleibskrebs. Andere Krebsarten mit Lymphknotenentfernungen im Bauchraum (z.B. Blasen-, Prostata-, Dickdarmkrebs) sind hier nicht berücksichtigt. Im Vergleich geht man von 350-400 neuen Multiple Sklerose-Erkrankungen (MS) pro Jahr** aus. Und diese Krankheit ist bei weitem besser bekannt und erforscht als das Lymphödem.

Das primäre Lymphödem

  • Prävalenz 0,001 %
    Bei 8 Mio. Einwohnern in der Schweiz wären dies 80 Betroffene.
    Diese Zahl ist womöglich stark unterschätzt, denn die Mitgliederdaten der Lymphödem Vereinigung Schweiz weisen deutlich darauf hin, dass primäre Lymphödeme häufiger vorkommen.
  • Inzidenz bei Geburt
    Anzahl Geburten: 90‘000/Jahr***
    Jedes 6000-ste Baby kommt mit einem Lymphödem zur Welt = 15 Neugeborene mit Lymphödem
  • Inzidenz im Jugendalter
    Keine Angaben vorhanden.
    Das primäre Lymphödem manifestiert sich sehr häufig erst im Jugendalter, sobald der Lymphabfluss nicht mehr ausreichend ist. Daher vermuten wir, dass jährlich mehr Menschen im Jugendalter an einem primären Lymphödem erkranken als Neugeborene mit einem primären Lymphödem auf die Welt kommen.

Zusammenfassung

  1. Bei ca. 1'500 Neuerkrankungen (alleine infolge Brust- und Unterleibskrebs) pro Jahr ist das Lymphödem KEINE seltene Krankheit.
  2. Das Lymphödem geht meistens einher mit anderen Erkrankungen (Krebs, Sportverletzungen, Adipositas) und stellt sozusagen einen „Kollateralschaden“ dar, über den nicht so gerne gesprochen wird.
  3. Die Lymphologie fristet in der Medizin ein Schattendasein und es erstaunt daher nicht, dass für Studien und Forschung keine Investoren gefunden werden. Bei MS beispielsweise ist die Situation ganz anders: es sind zwar weit weniger Menschen davon betroffen, aber weil die Krankheit tödlich endet, weiss auch die Öffentlichkeit mehr darüber und für die Entwicklung neuer Medikamente und Heilungsmethoden fliessen hohe Summen an Geldern.

* Quelle: Krebsliga; Krebs-Neuerkrankungen in der Schweiz (gerundete Zahlen) 2011-2015
** Quelle: Homepage der Schweizerischen Multiple Sklerose Gesellschaft
*** Quelle: Homepage Bundesamt für Statistik – Geburten und Todesfälle

Studien


Zu den Newsletters